
Grad der Behinderung und die Auswirkungen auf Vertriebsmitarbeiter
Menschen mit Behinderung machen in Österreich rund acht Prozent der Bevölkerung aus. Dabei handelt es sich jedoch nur um die Anzahl der Personen mit registrierter Behinderung. Die Dunkelziffer ist vermutlich höher.
Natürlich möchten behinderte Personen genauso wie alle anderen am Leben teilnehmen und nach Möglichkeit einen Beruf ausüben. Einige von ihnen sind auch im Vertrieb tätig. Je nachdem, welche vertrieblichen Aufgaben übernommen werden, müssen die Einschränkungen nicht hinderlich sein. Im Innendienst sind zum Beispiel viele körperliche Beeinträchtigungen mit einem entsprechend barrierefrei eingerichteten Arbeitsplatz kein Problem.
Um keine Benachteiligungen zu erhalten, sollten Betroffene ihre Behinderung stets registrieren und den Grad der Behinderung feststellen lassen. Gegebenenfalls erhalten sie dann einen Behindertenpass und einen speziellen Kündigungsschutz. Aus Arbeitgebersicht ist es wichtig zu wissen, inwiefern auf behinderte Mitarbeiter im Vertrieb Rücksicht genommen werden muss.
Welche Krankheiten werden in Österreich als Behinderungen anerkannt?
In Österreich versteht man unter einer Behinderung eine Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen und psychischen Funktionen, die über einen längeren Zeitraum anhält. Vorübergehende Erkrankungen zählen also nicht dazu. Wenn ein Arbeitnehmer im Vertrieb mehr als sechs Monate an einer entsprechenden Beeinträchtigung leidet, ist unter Erfüllung weiterer Voraussetzungen die amtliche Feststellung der Behinderung möglich. Das trifft auf eine Reihe von Erkrankungen und Funktionsstörungen zu, die wir hier nicht alle aufzählen können. Wir geben aber gerne einen ersten Überblick:
- Hauterkrankungen wie Akne, Neurodermitis oder Ichtoyosis
- Beeinträchtigungen des Muskel-, Skelett- oder Bindegewebesystems wie zum Beispiel schwere Skoliose
- Erkrankungen des Bewegungsapparates wie Gehbehinderungen oder der Verlust einer Extremität
- Erkrankungen des Nervensystems wie Lähmungen oder chronisches Schmerzsyndrom
- psychische Störungen wie Schizophrenie oder posttraumatische Belastungsstörungen
Wer schätzt den Grad der Behinderung ein?
Arbeitnehmer, die im Vertrieb tätig sind, können den Grad der Behinderung feststellen lassen, indem sie sich an die zuständige Landesstelle des Sozialministeriumservice wenden. Dort können bereits vorhandene Befunde und Gutachten vorgelegt werden. Diese werden dann von einem ärztlichen Gutachter in Augenschein genommen. Anhand der ihm vorliegenden Dokumente kann er den Grad der Behinderung einschätzen. Je nachdem, wie das Ergebnis ausfällt, können sich daraus verschiedene Begünstigungen für den Mitarbeiter im Vertrieb ergeben.
So läuft der Antrag ab
Damit alles glattläuft und Rückfragen vermieden werden, sollten sich Arbeitnehmer möglichst gut vorbereiten und dem Sozialministerium alle notwendigen Unterlagen zur Verfügung stellen. Der Antrag kann mittlerweile auch ganz bequem online eingereicht werden. Alternativ steht der Postweg offen. Auch per Fax ist eine Beantragung möglich. Es sollten alle relevanten Befunde sowie ein aktuelles EU-Passbild eingereicht werden. Wer aus einem Nicht-EU-Land kommt und seinen dauerhaften Wohnsitz in Österreich hat, sollte außerdem eine gültige Aufenthaltsbewilligung vorweisen können.
So geht es weiter
Nachdem der Antrag gestellt wurde, wird der betroffene Vertriebler vom Sozialministerium kontaktiert und zur Vorstellung eingeladen. Ein Arzt oder eine Ärztin schaut sich die Befunde an und nimmt gegebenenfalls auch eine körperliche Untersuchung vor. Anschließend erfolgt dann die Einschätzung, bei der alle Beeinträchtigungen berücksichtigt und der Gesamtzustand bewertet wird. Sollte sich der Zustand des Vertrieblers im Laufe der Zeit verschlechtern, kann der Grad der Behinderung selbstverständlich neu eingeschätzt werden.
Wie erfolgt die Einschätzung?
Bei der Einschätzung muss der Gutachter sich an das geltende Gesetz halten und die Einschätzungsverordnung befolgen. Anhand der sogenannten GdB-Tabelle kann der Grad der Behinderung bewertet werden.
In der Tabelle werden jeder Beeinträchtigung verschiedene Punkte zugewiesen. Mit diesen lässt sich wiederum der individuelle GdB-Wert berechnen. Personen, die einen Wert von 50 erreichen, erhalten den Begünstigtenstatus, was vor allem in der Arbeitswelt weiterhelfen dürfte. Von den daraus folgenden Vorzügen profitieren auch Angestellte im Vertrieb. Obgleich verschiedene Beeinträchtigungen individuell berücksichtigt werden müssen, dürfen sie nicht aufaddiert werden.
Wenn jemand mehr als eine Beeinträchtigung hat, wird der Gutachter nicht einfach die Punkte für alle davon zusammenzählen. Stattdessen obliegt es ihm, den Gesamtzustand zu beurteilen und daraus eine passende Punktzahl zu ermitteln.
Besondere Rechte für Menschen mit „begünstigten Behinderungen“
Der Begünstigtenstatus bringt Arbeitnehmern Vorteile in der Arbeitswelt und somit auch im vertrieblichen Bereich:
- Betroffene genießen einen besonderen Kündigungsschutz. Arbeitgeber müssen vor der Kündigung die Zustimmung des Behindertenausschusses einholen. Die Kündigungsfrist liegt bei mindestens vier Wochen. Allerdings wird der Kündigungsschutz erst nach Ablauf von vier Jahren gültig. Der Arbeitnehmer muss also eine Weile im Vertriebsbereich des Unternehmens beschäftigt gewesen sein.
- Zudem können sich Vertriebler mit Begünstigtenstatus über Förderungen verschiedener Art freuen. Je nach individueller Situation sind technische Arbeitshilfen oder besondere Trainingseinheiten möglich.
- Auch der Arbeitgeber profitiert. Wenn er begünstigte Behinderte beschäftigt, hat er Anspruch auf Förderungen. Sogar Steuerbegünstigungen sind möglich.
- Möglicherweise gibt es im Kollektivvertrag oder in der Betriebsvereinbarung eine Regelung für einen erhöhten Urlaubsanspruch für Personen mit Begünstigtenstatus. Das kann aber von Betrieb zu Betrieb variieren.
Beschäftigungspflicht für begünstigte Behinderte
Arbeitgeber sind verpflichtet, für 25 Mitarbeiter jeweils einen Menschen mit einer begünstigten Behinderung einzustellen. Wenn in einem Betrieb 50 Mitarbeiter arbeiten, sind das also schon zwei Menschen mit Begünstigtenstatus. Sie müssen nicht in Vollzeit angestellt werden, sondern können auch nur in Teilzeit arbeiten. Außerdem werden bestimmte Behinderte doppelt angerechnet. Das trifft beispielsweise auf Blinde oder Personen im Rollstuhl zu. Wenn der Arbeitgeber diese Pflichtzahlen nicht erfüllen kann oder will, muss er eine Ausgleichstaxe zahlen. Auf diese Weise soll die Inklusion am Arbeitsplatz gefördert werden.
Vorteile des Behindertenpasses im privaten Bereich
Behinderte Vertriebler sollten nicht nur den Grad der Behinderung bestimmen, sondern sich auch einen Behindertenpass ausstellen lassen. Der bietet vor allem im Privatleben viele Vorteile. Zum Beispiel erhalten Betroffene damit Vergünstigungen auf zahlreiche Freizeit- und Kulturangebote sowie Ermäßigungen im öffentlichen Personenverkehr. Je nachdem, welche Formulierungen im Behindertenpass eingetragen sind, kann damit auch ein spezieller Parkausweis beantragt werden.
Gastbeitrag Christine Schröder