Gebt Quereinsteigern eine Chance

Unsere Praxis-Erfahrungen im Recruiting zeigen leider immer dasselbe Bild: „Lieber stelle ich einen Branchenkenner ein, als einen Quereinsteiger. Denn der bringt Kontakte und Vertriebspartner mit“, sagen die meisten Geschäftsführer und Personalverantwortlichen. Oft stellt sich das später als Irrweg heraus, denn diesen beiden Punkten wurde zu viel Augenmerk beigemessen.

Ausnahmen zeigen immer wieder die große Chance, die sich durch die Aufnahme eines motivierten Quereinsteigers für ein Unternehmen ergeben können. Denn branchenfremde Mitarbeiter schlagen Brücken zu anderen Märkten, bringen frische Gedanken ins Unternehmen und inspirieren damit das ganze Team. Ein frischer Wind weht dann durch die gesamte Vertriebsabteilung.

Viel zu oft wird von Verantwortlichen vorgeschoben: „Ohne bereits in unserer Branche gearbeitet zu haben, kann man nicht starten.“ Hinterfragt man bisherige Karrierewege bestehender Vertriebskollegen, findet man jedoch fast immer Beispiele, die das Gegenteil aufzeigen. „Unser bester Verkäufer war früher Koch. Das hat mit unserer Branche zwar nichts zu tun, aber das Engagement und das Denken in anderen Bahnen hat schnell Erfolge gezeigt. Er wurde uns damals von einem bestehenden Kollegen empfohlen, darum haben wir es probiert“.

Ein weiterer Grund, der uns oft genannt wird: Man habe keine Ressourcen Mitarbeiter auszubilden, wir brauchen einen „Fertigen“ der gleich starten kann. Spätestens hier sollten dann alle Alarmglocken läuten. Jedes Unternehmen, auch in derselben Branche, arbeitet anders, hat andere Prozesse und auch die Produkte sind nicht immer restlos vergleichbar. Der Wunsch wenig Zeit und (Führungs-) Arbeit in den neuen Mitarbeiter investieren zu wollen bzw. zu müssen, ist ein weiterer großer Denkfehler.

Zudem gibt es oft, zumindest, eine „Light-Variante“ des Quereinstiegs, mit dem man die Bewerberzielgruppe ein wenig öffnet: Das Suchen von Komplementärbranchen. Es stellt sich also die Frage, welche Branchen/Unternehmen eine ähnliche Zielgruppe bzw. ähnliche Prozesse haben, aber eben nicht dieselben Produkte oder Dienstleistungen. Mitarbeiter solcher Komplementärunternehmen sind dann zwar, in der Regel, keine Branchenprofis, haben aber Erfahrungen mit Kunden oder Prozessen.

Der Fachkräftemangel ist seit langer Zeit in aller Munde, auch im Vertrieb. Laut einer internationalen Studie zählen in Deutschland und Österreich sowohl Vertriebsmitarbeiter als auch Vertriebsleiter zu den Top 10 der meistgesuchten Fachkräfte.
Deshalb ist es höchste Zeit für die Vertriebs-Branche, sich Quereinsteigern und Branchenfremden zu öffnen. Doch nach wie vor bleiben die meisten Vertriebsteams homogen und der Sportlehrer, der Geisteswissenschaftler oder die Mathematikerin, denken eher selten daran, die neue Jobherausforderung im Vertrieb zu suchen. Weil sie auch zu selten eine Chance dafür bekommen!

Wie man Quereinsteiger integriert

Unternehmen müssen verstärkt für Quereinsteiger ein integratives Umfeld schaffen. So können z. B. Vertriebs-Paten im Unternehmen eine hervorragende Hilfe für Neulinge sein. Jeder Quereinsteiger sollte einen erfahrenen Kollegen an die Seite bekommen, der ihn direkt zu Kundenterminen begleitet. Wenn es dazu noch eine interne Corporate Sales Academy und gezielte Verkaufstrainings gibt, dann wird die Integration und das Onboarding von Neulingen sehr schnell gehen und bestens funktionieren.

Branchenkenntnisse kann man sich aneignen. Es ist die innere Einstellung zum Vertrieb, die wichtig ist. Im Vertrieb braucht es vor allem einen besonderen Ehrgeiz, sich ein gutes Netzwerk aufzubauen, aber auch die Fähigkeit, Geduld sowie Ausdauer mitzubringen und mit Rückschlägen umgehen zu können. Und natürlich eine ausgeprägte kommunikative Ader, sollte einem auch in die Wiege gelegt worden sein. Techniken und Tools kann man sich später in gezielten Verkaufstrainings aneignen.

Bis zur Pension seinem erlernten Beruf treu zu bleiben, gehört heute der Vergangenheit an. Genauso wie Urkunden für jahrzehntelange Betriebszugehörigkeit. In der modernen Arbeitswelt bleibt kein Tischler ewig ein Tischler. Gerade dann, wenn die oben erwähnten Persönlichkeitseigenschaften vorhanden sind, ergeben sich oft fantastische Möglichkeiten im Vertrieb – wenn, ja wenn, man von Unternehmen auch eine Chance erhält.

Zum Glück gibt es immer mehr innovative Konzerne, aber auch KMU, die Quereinsteigern im Vertrieb eine Chance geben, sich sogar bewusst dafür entscheiden. Denn ihre Abteilungen sollen Orte des Querdenkens und eines Perspektivenwechsels sein, in denen vor allem heterogenen Teams arbeiten und damit die Innovationsfähigkeit, gerade im Vertrieb, angefeuert wird.

In keinem anderen Job lässt sich Leistung so schnell und fair messen. Jeder Versuch der Augen-Auswischerei wird ganz schnell entlarvt. Ein erfüllender Beruf für alle, die gerne kommunizieren, an sich arbeiten und persönlich wachsen wollen. Wenn Sie jetzt in den Vertrieb wollen, wir haben ein paar spannende Jobs unserer Kunden.

Ein kleiner Tipp aus unserer Recruiting-Praxis für alle Geschäftsführer und Personalverantwortlichen, die vor der Entscheidung stehen, entweder einen Neuling oder einen gestandenen Verkäufer einzustellen: „Gewinnt mich der Bewerber im Vorstellungsgespräch, dann gewinnt er später auch den Kunden – und da ist es wirklich egal, welche Ausbildung und Berufserfahrung der Kandidat vorweisen kann!“

 

Autor Kevin Distler, MA – Prokurist und Senior Recruiter der Menschen im Vertrieb Beratungsgesellschaft mbH

In diesem Artikel wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit das generische Maskulinum verwendet. Weibliche und anderweitige Geschlechteridentitäten werden dabei jedoch ausdrücklich mitgemeint.

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