Die Leistungslüge

Ist Anwesenheit gleich Produktivität?

Warum Anwesenheit im Unternehmen, kein Maßstab für Produktivität sein darf!

Einleitung in die Welt der Leistungsorientierung

In der heutigen Arbeitswelt stehen wir vor einer Revolution. Die traditionelle Vorstellung von Arbeit, die oft untrennbar mit einem festen Büro und regelmäßiger Anwesenheit verbunden war, wird zunehmend infrage gestellt. Insbesondere das Aufkommen des Home Office hat dazu geführt, dass immer mehr Arbeitnehmer die Möglichkeit haben, ihre Arbeit von zu Hause aus zu erledigen. Doch trotz dieser Entwicklung besteht nach wie vor eine Diskrepanz zwischen der Bedeutung von Anwesenheit im Job und der tatsächlich erbrachten Leistung. In diesem Blogartikel werde ich mich genauer mit diesem Thema befassen und argumentieren, warum Anwesenheit allein keinen Erfolg garantiert. Ich werde die Rolle von Home Office, Selbstverantwortung, Arbeitsklima bzw. Unternehmenskultur, Vertrauen, Gewerkschaften, dem Hawthorne-Effekt, faire Entlohnung und guter Führung für den Erfolg am Arbeitsplatz, beleuchten.

 

1. Home Office als Motor für Produktivität

Das Home Office hat in den letzten Jahren enorm an Bedeutung gewonnen. Es ermöglicht den Mitarbeitern, ihre Arbeit flexibler zu gestalten und sich in ihrer vertrauten Umgebung wohlzufühlen. Studien haben gezeigt, dass Mitarbeiter, die von zu Hause aus arbeiten, oft produktiver und zufriedener sind. Die Abwesenheit vom Büro reduziert Ablenkungen und Pendelzeiten, sodass mehr Zeit und Energie für die eigentliche Arbeit zur Verfügung stehen. Daher ist die Anwesenheit im Büro allein, absolut kein Indikator mehr, für die Leistungsfähigkeit eines Mitarbeiters.

2. Selbstverantwortung und Unternehmenskultur

Ein weiterer entscheidender Faktor, der die Anwesenheit im Job entkräftet, ist die Selbstverantwortung der Mitarbeiter. Wenn diese die Freiheit haben, ihre Arbeit selbstständig zu organisieren und Verantwortung für ihre Aufgaben zu übernehmen (unternehmerisch zu denken beginnen), können sie ihre Leistungsfähigkeit steigern. Ein positives Arbeitsklima, das auf Vertrauen und Offenheit basiert, fördert die Selbstverantwortung und trägt dazu bei, dass Mitarbeiter ihre Aufgaben effizient erledigen können. Anwesenheit im Büro allein schafft nicht immer ein gutes Arbeitsklima, sondern ist oftmals lediglich eine äußere Erscheinung, die nicht zwangsläufig zu höherer Leistung führt.

3. Vertrauen als Grundlage für Erfolg

Vertrauen ist ein Schlüsselfaktor für den Erfolg eines Unternehmens und seiner Mitarbeiter. Wenn Arbeitgeber ihren Mitarbeitern vertrauen und ihnen die Freiheit geben, ihre Arbeit selbst zu organisieren, steigert das nicht nur die Mitarbeiterzufriedenheit, sondern auch die Leistungsfähigkeit. Das Vertrauen in die Mitarbeiter führt dazu, dass sie sich stärker mit ihrer Arbeit identifizieren und motiviert sind, ihr Bestes zu geben. Anwesenheit im Büro wird somit weniger relevant, da der Fokus auf den Ergebnissen und der Qualität der Arbeit liegt.

4. Das Arbeitszeitgesetz, die Gewerkschaften und ihre Rolle

Auch Gewerkschaften stehen dieser Philosophie noch häufig skeptisch gegenüber. Ihre Hauptaufgabe besteht natürlich darin, die Rechte und Interessen der Arbeitnehmer zu schützen. Sie betonen oft die Bedeutung von geregelten Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen. Dabei argumentieren sie, dass die Hervorhebung von Leistung statt Anwesenheit zu einer Entgrenzung der Arbeitszeit führen könnte, in der Arbeitnehmer ständig erreichbar und gefordert sind. Gewerkschaften befürchten möglicherweise, dass eine Verschiebung des Fokus auf die Leistung die Arbeitnehmerrechte beeinträchtigen könnte, beispielsweise durch eine Zunahme von Überstunden oder eben eine unklare Abgrenzung zwischen Arbeits- und Freizeit. Auch die „Angst“, dass sich Gewerkschaften durch unternehmerisch denkende Mitarbeiter ad absurdum führen könnten, ist wahrscheinlich auch ein Argument, warum man die „Zeit“ als Messgröße beibehalten will.

Es ist jedoch auch wichtig anzumerken, dass nicht alle Gewerkschaften ablehnend gegenüber der Idee von „Leistung statt Anwesenheit“ eingestellt sind. Einige Gewerkschaften erkennen durchaus schon den Wert von flexiblen Arbeitsmodellen und individueller Leistung an und setzen sich dafür ein, dass Arbeitnehmer in der Lage sind, ihre Arbeit selbstverantwortlich zu organisieren und ihre Leistungsergebnisse zu erbringen, anstatt starr an Anwesenheitsregeln gebunden zu sein.
Auch wenn die Diskussion darüber, dass Anwesenheit nicht gleichbedeutend mit Leistung ist, immer präsenter wird, gibt es nach wie vor rechtliche und gewerkschaftliche Rahmenbedingungen, die dieser Philosophie entgegenstehen.

Ein Beispiel dafür ist auch das aktuelle Arbeitszeitgesetz, das in vielen Ländern immer noch die Anwesenheitszeit als maßgeblichen Faktor betrachtet und die Arbeitnehmerrechte in Bezug auf Arbeitszeit, Ruhepausen und Überstunden regelt. Das Gesetz orientiert sich oft an traditionellen Arbeitsmodellen und berücksichtigt nicht ausreichend die neuen Arbeitsformen, wie das Home Office oder flexible Arbeitszeiten. Es legt beispielsweise fest, wie viele Stunden am Arbeitsplatz verbracht werden müssen, anstatt den Fokus auf die Ergebnisse und die Qualität der erbrachten Leistung zu legen.
Es besteht also weiterhin eine Spannung zwischen der traditionellen Vorstellung von Arbeitszeit und Anwesenheit, wie sie im Arbeitszeitgesetz verankert ist, und dem aufkommenden Paradigma, dass Leistung nicht an physische Anwesenheit gebunden sein muss. Es ist eine Herausforderung, diese beiden Perspektiven in Einklang zu bringen und rechtliche sowie gewerkschaftliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die sowohl den Bedürfnissen der Arbeitnehmer als auch den Anforderungen der modernen Arbeitswelt gerecht werden.

5. Der Hawthorne-Effekt

Der Hawthorne-Effekt ist ein Phänomen, das seinen Ursprung in einer Studie aus den 1920er und 1930er Jahren am Western Electric Hawthorne-Werk in Chicago hat. Diese Studie sollte ursprünglich die Auswirkungen von Beleuchtungsveränderungen auf die Produktivität der Arbeiter untersuchen. Überraschenderweise stellten die Forscher jedoch fest, dass sich die Produktivität der Arbeiter unabhängig von den getesteten Variablen verbesserte.

Der Hawthorne-Effekt bezieht sich auf die Beobachtung, dass Menschen ihr Verhalten ändern, wenn sie wissen, dass sie beobachtet werden. In der Studie wurden die Arbeiter durch die bloße Tatsache, dass sie Teil einer Forschung waren und ihre Produktivität gemessen wurde, motiviert und zeigten eine erhöhte Leistung. Dies geschah unabhängig von den tatsächlichen Änderungen an den Arbeitsbedingungen.

Der Effekt wird als Beweis dafür angesehen, dass die soziale Dynamik und die Aufmerksamkeit, die den Mitarbeitern entgegengebracht werden, einen signifikanten Einfluss auf ihre Leistung haben. Es zeigt, dass nicht nur objektive Faktoren wie Beleuchtung, Arbeitsbedingungen oder Anwesenheit am Arbeitsplatz die Produktivität beeinflussen, sondern auch soziale Faktoren wie das Gefühl der Wertschätzung, das Vertrauen und die Interaktionen mit Vorgesetzten und Kollegen.
Der Hawthorne-Effekt verdeutlicht, dass die Leistung von Mitarbeitern nicht nur durch objektive Rahmenbedingungen (z. B. Anwesenheit) bestimmt wird, sondern auch von sozialen und psychologischen Faktoren beeinflusst wird. Er betont die Bedeutung eines positiven Arbeitsklimas, einer wertschätzenden Führung und guter zwischenmenschlicher Beziehungen für die Motivation und Produktivität der Mitarbeiter.

6. Einfluss einer fairen und transparenten Erfolgsbeteiligung

Natürlich ist es von entscheidender Bedeutung, dass Leistung nicht nur anerkannt, sondern auch fair gemessen und angemessen entlohnt wird. Wenn Anwesenheit nicht länger als alleiniges Kriterium für Leistung betrachtet wird, müssen alternative Bewertungsmethoden entwickelt bzw. gefunden werden, die die tatsächliche Leistung eines Mitarbeiters oder besser von Teams, berücksichtigen.
Eine wirklich gute Möglichkeit besteht darin, eine eindeutige „Erfolgswährung“ im Unternehmen festzulegen, deren Steigerung, eine WIN-WIN-Situation für Unternehmen und Arbeitnehmer, darstellt.

Diese angemessene Entlohnungsstruktur muss die erbrachte Leistung, insbesondere von Teams (Erfolg im Unternehmen beruht in den meisten Fällen auf einer Teamleistung), angemessen widerspiegeln. Die faire, transparente und leistungsorientierte Vergütung kann sowohl monetäre als auch nicht-monetäre Anreize umfassen, um Mitarbeiter zu motivieren und zum unternehmerischen Denken zu veranlassen.

Es ist jedoch zu beachten, dass die Messung von Leistung und deren Bewertung immer eine komplexe Aufgabe ist. Es erfordert neben einer sorgfältigen Planung und Umsetzung, ebenso auch eine offene Kommunikations-Kultur zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.
Schon in der Planung ist es entscheidend, die tatsächlichen Ertragsströme im Unternehmen objektiv darzustellen und jeweils die darauf einflussnehmenden Mitarbeiter an den Ertragsströmen (Erfolgen) zu beteiligen. Software-Lösungen, wie z. B. AllWin, bieten hier eine sehr hilfreiche Unterstützung.

Letztendlich müssen die Unternehmen darauf abzielen, eine Kultur der Leistungsförderung zu schaffen, in der Mitarbeiter motiviert sind, ihr Bestes zu geben und ihre persönlichen Fähigkeiten weiterzuentwickeln. Eine solche Kultur beruht auf Vertrauen, offener und auch klarer Kommunikation. Wenn Leistung bzw. Erfolge fair gemessen und entlohnt werden, schafft dies eine Win-Win-Situation für Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

7. Die Rolle der Führung

Eine gute Führungskraft hat einen maßgeblichen Einfluss auf den Erfolg eines Teams oder einer Organisation. Indem sie auf eine offene und transparente Kommunikation setzt, die Eigenverantwortung fördert und Vertrauen aufbaut, schafft sie ein Umfeld, in dem Mitarbeiter ihre Leistungsfähigkeit voll entfalten können. Eine gute Führungsperson erkennt, dass Anwesenheit allein nicht unbedingt der Indikator für Leistung ist, sondern dass es immer auch auf die Effektivität und Qualität der Arbeit ankommt.

Fazit

Diese Diskussion darüber, ob Anwesenheit mit Leistung korreliert, ist altbekannt und dennoch immer wieder erstaunlich für mich. Als einem Unternehmer, der seit über einem Jahr, sich und seinen Mitarbeitern, das unbeschränkte Home Office als neue „Arbeitsform“ ermöglicht, ist es nur eine weitere Bestätigung: Anwesenheit alleine ist noch kein Indikator für Leistung!

Natürlich gibt es noch keine pauschale Antwort darauf, wie sich Anwesenheit auf die Leistung auswirkt. Ich beobachte aber, dass meine Mitarbeiter und ich Vieles in wenigen Stunden schaffen, wofür andere einen ganzen Tag benötigen. Natürlich aber gibt es auch Situationen, in denen wir im Office in zwei Stunden mehr schaffen, als an einem Tag im Home Office. Dies zeigt, dass die individuellen Unterschiede und die Art der Arbeit eine Rolle spielen.

Der Hawthorne-Effekt bestätigt ja genau diese Ansicht. Er besagt, dass Arbeitsleistung nicht nur von objektiven Rahmenbedingungen abhängt, sondern vor allem auch von sozialen Faktoren beeinflusst wird. Die Anwesenheit am Arbeitsplatz ist also kein ausschlaggebendes Kriterium für eine höhere Leistung.
Es ist wichtig, auch im Arbeitszeitgesetz, von der Vorstellung abzurücken, dass Anwesenheit die einzige Messgröße für „Überstunden, Urlaub, Entlohnung, etc.“, ist. Stattdessen sollten wir vielfältige Einflussfaktoren auf die Leistung berücksichtigen. Dazu gehören auch die Veränderungsbereitschaft, die Lernbereitschaft, das Vertrauen in die Leistung der Mitarbeitenden und das Bewusstsein dafür, wofür und für wen die Arbeit eigentlich ausgeführt wird.

Es ist an der Zeit, uns endlich von starren Vorstellungen und Systemen zu verabschieden. Legen wir den Fokus auf die Ergebnisse und Qualität der Arbeit. Nur so können wir ein modernes und erfolgreiches Arbeitsumfeld schaffen, in dem Mitarbeitende ihr volles Potenzial entfalten und sich auch zu unternehmerisch denkenden Persönlichkeiten entwickeln.

Autor Mag. Hans Bachinger – Geschäftsführer und Vergütungsberater der Menschen im Vertrieb Beratungsgesellschaft mbH

 

In diesem Artikel wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit das generische Maskulinum verwendet. Weibliche und anderweitige Geschlechteridentitäten werden dabei jedoch ausdrücklich mitgemeint.

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